Konferenzen sind aufwändig und kostspielig. Für die Organisatoren ebenso wie die Teilnehmenden. Unser Team hatte sich vorab intensiv der Frage gewidmet, ob die Präsenz unseres Polynesischen Katamarans „Vaka Okeanos“ samt Team und Crew und Jugenddelegierten auf der dritten UN-Ozeankonferenz ein wertvoller Beitrag sein kann. Was vermag eine kleine deutsche Stiftung vor Ort zu leisten? Die UNOC ist abgeschlossen und wir werfen einen Blick zurück, um für die Zukunft ein ganz persönliches Fazit zu ziehen.
Während in der „Blauen Zone“ Delegierte über Fischerei, Plastikverschmutzung, Tiefseebergbau, den Schutz der Hochsee und weitere Themen verhandelten und in der „Grünen Zone“ zivilgesellschaftliche Akteur:innen, Institute und Organisationen in Workshops, Vorträgen oder Diskussionen die wichtigsten Ozean-Themen auf die gesellschaftliche Agenda setzten, lag der Schwerpunkt unserer Tätigkeit hauptsächlich jenseits dieser Konferenzzonen. Als einziger traditionell Polynesischer Katamaran in Europa lag Vaka Okeanos im Hafen von Nizza und bot Raum für Veranstaltungen, Führungen, intensive Diskussionen und oft überraschende Perspektivwechsel.
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Gleich zu Beginn der Konferenz war die Vaka zunächst aber Teil der „Marine Parade“, einer Parade der Schiffe, die auch während der Woche als Teil des UNOC-Programms im Hafen lagen. Und zwar in allerbester Gesellschaft, zwischen Legenden wie dem deutschen Forschungsschiff Meteor, dem französischen Forschungsschiff Thalassa, dem französischen Schoner Tara, der Blue Panda des WWF, dem Traditionssegler Statsraad Lehmkuhl und anderen. Weil Crew und Team vor allem Vertreter:innen aus dem Pazifik die Gelegenehiet einräumen wollten, als „Voices of the Ocean“ die Konferenz vom Mittelmeer aus einzuläuten, war die Gästeliste international: Neu Kaledonien, Samoa, Fiji, und Federated States of Micronesia wurden durch die Early Career Ocean Professionals (ECOPS) Ivy Dombal, Nolani Hazelman, Maloni Siga und Tazmin Falan vertreten, Französisch Polynesien durch die First Lady Teua Temaru, Frau des Präsidenten Moetai Brotherson und durch Generalsekretär Etienne de la Fouchardiere.
Während der Woche im Hafen entwickelte sich die Vaka vor allen Dingen zu einem Hub für Vertreter:innen verschiedener Pazifikstaaten. Die Delegation aus Französisch Polynesien (FP) nahm die Gelegenheit wahr und setzte gleich vier Veranstaltungen an Bord um. Dass FP auf der UNOC wirklich etwas bewegen will, zeigte sich auch an der Ankündigung der Regierung, fünf Millionen Quadratkilometer Meeresfläche unter Schutz zu stellen und damit das größte Meeresschutzgebiet der Welt zu schaffen. Immerhin ein Fünftel der Fläche soll sogar unter strengen Schutz gestellt werden. Conservation International New Zealand diskutierte auf der Vaka mit Gästen über „Indigene Weisheit und naturbasierte Finanzierung zum Schutz der Ozeane“, Deepwave sprach mit Expert:innen über die Veränderung von Narrativen im Tiefseebergbau. Kamehameha Schools und Green Growth Hawaii brachten beeindruckende Jugenddeligierte ins Panel und diskutierten mit Gästen darüber, wie in Zukunft mehr ortsbezogene Weisheit und kulturelle Intelligenz zu Ozeanschutz beitragen kann. Dabei drehten sie die gängige Perspektive von „Thinking global, acting local“ um und sprachen sich dafür aus, lokal zu denken um global zu handeln.
Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und dem Senckenberg Institut für Naturforschung sowie der Senckenberg Ocean Species Alliance veranstaltete Okeanos einen Youth Talanoa zum Thema „Active Hope in Times of Earth System Crises“ und eine Breakfast Discussion „From Active Hope to Action“ an Bord, mit Impulsen von Antje Boetius (MBARI), Sabine Mathesius (PIK Potsdam) und Angelika Brandt (Senckenberg). Dr. Isabelle Szott (Okeanos) stellte an Bord der Meteor im Rahmen der Senckenberg-Veranstaltung „Unusual Alliances“ die Arbeit der Stiftung vor, Jana Steingässer und Jorge Sanchez (Okeanos) warfen in der Grünen Zone mit ihren Gästen einen Blick auf die Jugendbildungsarbeit mit einem Polynesischen Katamaran im Mittelmeer.
Mit unserem eigenen Schwerpunkt auf der Förderung junger Ozean-Stimmen war Vaka Okeanos aber auch und vor allem immer wieder Treffpunkt von ECOPS (Early Career Ocean Professionals) und Vertreter:innen von Jugendumweltorganisationen aus der ganzen Welt. Währenddessen führten die Jugendbotschafter:innen der „UNOC erklärt“ Interviews mit spannenden Gästen wie Antje Boetius (MBARI), Steffi Lemke, Boris Herrmann, Anna Groß (Deepwave), Paul Watson, Carsten Schneider, Anna von Rebay (Oceanvisionlegal), Kira Vinke (DGAP) und einigen mehr.
In den Mittagspausen boten Team und Crew offizielle Führungen an Bord an. Viele Delegierte nutzen aber auch einfach die Pausen, um am Pier die Schuhe auszuziehen, über die Gangway zu schlendern und im Netzt zwischen den Rümpfen eine Pause einzulegen oder sich unter dem Sonnensegel zu unterhalten.
Was in der blauen Zone passierte, einen Steinwurf von der Vaka auf der anderen Seite des Hafenbeckens gelegen, bekamen Gäste auf der Vaka kaum mit. Vielleicht lag auch genau darin der Reiz – und der Mehrwert unserer Anwesenheit. An Bord ging es vor allem darum, eine internationale, diverse Ocean-Community herzlich zu empfangen, Menschen miteinander zu verbinden, andere Perspektiven kennenzulernen und Fragen zu stellen – neugierig, mutig, weitsichtig. Hier wurden Zahlen und Fakten diskutiert und zusätzlich noch etwas eingeübt: Kooperationsfähigkeit, Ambiguitätstoleranz, Dialog- und Kritikfähigkeit. Besonders in Erinnerung bleibt uns in Team und Crew die Intervention einer Teilnehmerin aus den Cookinseln, die ihren Blick auf Tiefseebergbau mit uns teilte. „No Deep Sea Mining“ – diese Forderung unterstützte sie ganz persönlich, stieß damit aber auf Unverständnis in ihrer Heimat, wo Tiefseebergbau aus der Perspektive möglicher finanzieller Unabhängigkeiten anders diskutiert wird – und werden muss. Dass Lösungen nicht in Hau-Ruck-Aktionen herbeigeführt werden können, sondern empathische Perspektivwechsel voraussetzen und wir um viele mühevolle und trotzdem lohnenswerte Diskussionen und Annäherungen nicht herumkommen, war eine der Schlüsselbotschaften. Und gleichzeitig müssen beherzte Entscheidungen getroffen werden. Zügig und mit den betroffenen Küsten- und Inselgemeinschaften am Tisch. Immerhin hatten zum Ende der Konferenz bereits 51 Staaten das Hochseeabkommen (BBNJ) ratifiziert. 9 weitere Stimmen fehlen, um die Umsetzung zu ermöglichen. Deutschlands Stimme steht noch aus!
Einen ganz expliziten Wunsch für die nächste UNOC nahmen wir im Team mit nach Hause – an uns gestellt von Pilialoha Carlson, 16-jährige Schülerin der Kamehameha School Hawaii. „Ich wünsche mir herausforderndere Gesprächspartner, die nicht so denken wie ich – und die ich davon überzeugen kann, wie wichtig der Ozean ist!“